Erste Überlegungen zu dem Vorhaben sind zwischen den Firmen Haniel und GREENZERO Anfang 2022 entstanden. Anschließend wurden die Stadt Duisburg, alle städtischen Gesellschaften, das Land Nordrhein-Westfalen sowie zahlreiche namhafte Unternehmen und Institutionen als Partner:innen gewonnen. An der im August 2022 gegründeten Projektgesellschaft sind die GEBAG mit 64,5%, Haniel mit 24,5%, duisport mit 10% und GREENZERO mit 1% beteiligt.
FRAGEN
Die Initiative Urban Zero markiert den weltweit erstmaligen Versuch, ein urbanes Quartier innerhalb weniger Jahre (bis 2029) in einen Zustand zu transformieren, der keine Auswirkungen auf die Biosphäre hat. Umweltneutralität geht weit über Klimaneutralität hinaus und umfasst neben Klimaschutz auch Themen wie Sicherung der Biodiversität sowie Schutz der Böden und Gewässer. Ziel ist es, in Balance mit der Umwelt zu agieren und damit nicht nur die Umweltbilanz der Kommune positiv zu verändern, sondern auch das Leben der Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu verbessern – mit Grünflächen und Freizeitangeboten, nachhaltigen Energielösungen und Fördermitteln.
Um Ruhrort umweltneutral aufzustellen, werden die Phasen Analyse, Reduktion und Kompensation durchlaufen. Es sollen in den kommenden Jahren über hundert Einzelprojekte realisiert werden, um die negativen Umweltwirkungen so weit wie möglich zu reduzieren. Diese Phase wird von sozial und wirtschaftlich geprägten Vorhaben begleitet, die auch die Bürgerinnen und Bürger mit einbeziehen. Negative Umweltwirkungen, die nach 2029 weiterhin unvermeidbar sind, sollen kompensiert werden.
a) Analyse
Zunächst ist eine Analyse umfassender Umweltwirkungen Ruhrorts erforderlich. Wichtig ist, die größten Quellen der Ruhrorter Umweltkosten zu ermitteln und dann die passende Lösung zur Reduktion oder Kompensation abzuwägen.
Welche Sektoren sind für die Analyse relevant?
Die Energieversorgung bzw. Energienutzung ist sicher eine der relevantesten Dimensionen. Hierin vor allem Energieverbrauch der Haushalte sowie von Gewerbe und öffentlichen Einrichtungen. Jedoch spielt auch der Sektor Transport eine entscheidende Rolle mit bis zu 40% der verursachten Umweltschäden z.B. beim bodennahen Ozonbildungspotential (Sommersmog) oder fast 30% beim Versauerungspotential. Der Sektor Abfall ist in den meisten bewerteten Umweltwirkungen im Vergleich zu Energie und Transport weniger relevant, jedoch wesentlicher Verursacher des marinen Eutrophierungspotentials (ca. 70%).
Nach welchen Standards berechnen Sie die ökologischen Fußabdrücke der einzelnen Teilprojekte?
Auf Basis des internationalen Standards Greenhouse Gas Protocol for Cities erfolgt die Analyse schrittweise. Nach der Screening-Studie auf Basis von Sekundärdaten erfolgt zunächst die Analyse der Sektoren Energie, Transport und Abfall (BASIC-Analyse). Dies sind zugleich die mindestens zu untersuchenden Sektoren nach dem Standard und zugleich jene mit den zu erwartenden höchsten Emissionen/ verursachten Umweltschäden. Im nächsten Schritt sollen auch erweiterte Sektoren untersucht werden, z.B. im Zusammenhang mit landwirtschaftlichen Prozessen (BASIC+-Analyse). Als zusätzlicher Schritt (über den Standard hinausgehend) sollen auch die Ruhrorter Bürger aktiviert werden um die persönlichen Umweltwirkungen zu bestimmen (z.B. im Zusammenhang mit Nahrungsmittelkonsum, persönliche Fortbewegung usw.; BASIC++-Analyse).
Wie wird die Richtigkeit der Ergebnisse sichergestellt?
Die LCA erfolgt von geschulten und erfahrenen Ökobilanzierern mit wissenschaftlicher Ausbildung sowie in professioneller Software auf Basis von internationalen Standards (z.B. ISO 14040/44, GHG Protocol). Eine Verifizierung von Ergebnissen erfolgt beispielsweise durch einen Vergleich mit Carbon Footprint Analysen anderer Regionen/Städte. Da es sich beim City-LCA-Ansatz um eine neue wissenschaftliche Methode handelt, dient dieses Projekt auch zur Pilotierung mit Generierung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Es ist geplant, im Zuge des Projektes wissenschaftliche Artikel zur Methodik sowie den Ergebnissen zu publizieren, um diese damit einerseits akademisch verifizieren zu lassen und andererseits den Erkenntnisgewinn international zu teilen.
b) Reduktion
Nachdem wir die großen Treiber der Umweltkosten identifiziert haben, werden wir für diese „HotSpots“ passende Reduktionsmöglichkeiten wie z.B. Wärme aus Kanälen oder dem Rhein und mögliche alternative Stromerzeugung im Sinne der allgemein nötigen Energiewende diskutieren. Dabei werden wir die Möglichkeiten der Kompensation immer den Möglichkeiten der Reduktion gegenüberstellen.
Wie können Ruhrorterinnen und Ruhrorter mitmachen?
Nur gemeinsam kann Ruhrort sich nachhaltig weiterentwickeln und das ambitionierte Projekt Urban Zero umgesetzt werden. Energiewende geht nur gemeinsam. Es sollen hunderte Einzelprojekte realisiert werden. Um einen Austausch zu ermöglichen und gemeinsam Ruhrort Stück für Stück zu transformieren, hat die Initiative ein Quartiersbüro als zentrale Anlaufstelle angemietet. Das 60 m2 große Büro mitten im Herzen Ruhrorts, Weinhagenstraße 23, öffnete seine Türen am 13. Mai 2023 für die Bürgerinnen und Bürger. Interessierte Ruhrorterinnen und Ruhrorter erhalten im UMWELT-lokal Informationen zum Projekt Urban Zero, individuelle Energieberatungen und können auch eigene Anregungen und Ideen in das Projekt einbringen. Jeder ist herzlich willkommen das Quartiersbüro zu besuchen und Teil des einzigartigen Projektes zu werden.
c) Kompensation
Kompensiert wird, was nicht weiter zu reduzieren ist. Dabei möglichst auf Duisburger Stadtgebiet. Experten erfassen den ökologischen Zustand von Duisburg-Ruhrort. Sie identifizieren dabei auch Flächen und Systeme, an denen ein ökologischer Mehrwert geschaffen werden kann; darunter Häuser, Fassaden, Dächer, Wege, Brachen, Industrieeinrichtungen und Fließgewässer. Bei der Kompensation stärken wir das Ökosystem bzw. die Biodiversität und die menschliche Gesundheit, indem wir vorhandene Grün- und Blauflächen nachqualifizieren und optimieren, neue ökologisch wertvolle Biotope schaffen (Freiflächen aber auch Gebäudebegrünung) und diese in einem standortangepassten und vielfältigen Komplex entwickeln und erhalten. Dadurch entstehen viele wertvolle Ökosystemleistungen – diese gleichen die Verluste bzw. Belastungen aus eigener Kraft dauerhaft aus und ermöglichen uns Menschen eine Lebensgrundlage. Vor allem im innerstädtischen Bereich ist es hier wichtig Teilflächen zugänglich und erlebbar zu gestalten.
Wir stellen Entwicklungsplanungen auf, die genaue Ziele definieren, über den Zielzustand einer Fläche (unter Berücksichtigung des Reifezeitpunkts der unterschiedlichen Biotope) und die Maßnahmen, die dafür nötig sind. Diese Planung wird durch ein externes Gutachter-Büro geprüft. Fortlaufend wird dann auch eine Evaluierung in Form eines Monitorings (ebenfalls extern) vorgenommen. Sodass die Anpassung der Maßnahmen und Zielzustände bei unerwarteten Entwicklungen möglich sind, aber auch eine Beweissicherung erfolgt, die belegt, dass es Zugewinn für die Biodiversität (und die menschliche Gesundheit) bringt.